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Statistik: Computerausstattung an Schulen

Der IT-Branchenverband Bitkom hat zusammen mit den Veranstaltern der Fachmesse LEARNTEC und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) eine Studie zur IT-Ausstattung an Deutschlands Schulen durchgeführt.

Die Studie befragte knapp über 500 Lehrkräfte der Sekundarstufe I an deutschen Schulen. Nur 28% der Lehrer hielten die Verfügbarkeit der IT-Ausstattung an ihrer Schule für die jeweilige Schüleranzahl für ausreichend. 72% der Lehrkräfte waren demnach mit der Verfügbarkeit unzufrieden.
82% der Lehrkräfte forderten außerdem, die Weiterbildungsangebote für Pädagogen im Bereich “Einsatz digitaler Medien” zu erweitern.
Da diese Studie jetzt wie erwartet in den Alphamedien unreflektiert die Runde macht, ein paar Anmerkungen von mir dazu.

Auftraggeber der Studie

Der Branchenverband Bitkom vertritt mehr als 2300 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, also diejenigen, die mit IT aller Geschmacksrichtungen ihren Umsatz machen. Und wie es der Zufall so will, ist Bitkom der “ideelle Träger” der LEARNTEC 2016, der Fachmesse für Weiterbildung mit dem Schwerpunkt “Lernen mit IT”.
Eine Studie der umtriebigen Bertelsmann-Stiftung spricht von Ausrüstungskosten in Höhe von 538 Millionen bis zu 2,62 Milliarden Euro. Da müssten sich bei den IT-Verbandsmitgliedern vor lauter Händereiben ja schon fast die Fingernägel lösen.
Das ist jetzt so, als wenn die Branchenverbände von Pharmaherstellern und Apotheken in einer Umfrage herausgefunden haben wollen, dass die deutschen Haushalte zu wenige Schmerzmittel bevorraten und dass die Apothekendichte zu gering ist, um diesem “Problem” schnell abhelfen zu können…

“Repräsentative Studie”

Diese “Studie” basiert auf der Befragung von 505 Pädagogen der Sek I in Deutschland.
Die Statistik der Kultusministerkonferenz zählt für 2014 insgesamt 301.500 Lehrkräfte in der Sekundarstufe I in Deutschland (Statistik, PDF, 1,8MB, dort auf S. XX). Das heißt, dass das Ergebnis dieser Studie gerade einmal die (subjektive, also nicht messbare) Meinung von 0,17% aller Pädagogen der Sek I in Deutschland berücksichtigt.
Das als “repräsentativ” zu bezeichnen, ist sportlich.
Es trifft sich darüber hinaus aber auch ganz gut, dass die LEARNTEC mit dem Termin Ende Januar 2016 quasi vor der Tür steht und damit den Rahmen für diese Studie absteckt. Gutes Timing ist alles.

Resümee

Ein anschauliches Stück Marketingkampagne, das eigentlich zur Medienkompetenzbildung in den Schulunterricht gehört. Und das ist offensichtlich auch bitter notwendig, denn wer die Suchmaschine seines Vertrauens mit den Begriffen “Bitkom Learntec VBE Studie” füttert, bekommt aus allen Quellen unreflektiert die Pressemeldung von Bitkom, VBE und LEARNTEC vorgesetzt. Nicht eine Veröffentlichung hinterfragt die Sinnhaftigkeit einer “repräsentativen” 0,17%-Studie. Traurig.
Und ja, natürlich könnte die IT-Ausstattung an Schulen und die entsprechende Weiterbildung der Pädagogen besser sein. Besser geht immer.
Zumindest in Aachen erhoffe ich mir von der aktuell gestarteten “kommunalen Medienentwicklungsplanung” zunächst einen schulscharf aufgedröselten Status-Quo der IT-Ausstattung, ein mittel- und langfristiges Konzept über das IT-Bildungsziel sowie ein erforderliches Delta zum aktuellen IT-Ausstattungsstand, um dieses Ziel zu erreichen. Da kann dann auch gerne eine Befragung der Aachener Lehrer sinnvoll sein. Davon haben wir nämlich alleine in Aachen schon etwa 2000 über alle Schulformen und Klassenstufen.